GESTELZT UND SCHWERFÄLLIG
Bewertung: ★★★☆☆
Die ungarische Adelsfamilie Lazar lebt in ihrem Waldschloss ohne finanzielle Sorgen und in grossem Reichtum.
Baron Sandor von Lazar findet nur seinen neugeborenen Sohn Lajos seltsam. Der Junge wurde als Glaskind geboren und sein Vater kann sich nicht mit seinem Aussehen anfreunden.
Der Untergang des Habsburgerreichs lastet auf der Adelsfamilie und die Jahre vergehen mit vielen Entbehrungen und Kämpfen. Als Lajos sein Erbe antritt, steht der Erste Weltkrieg unmittelbar bevor.
Ich habe mich so richtig schwergetan mit dem Schreibstil. Der junge Autor schreibt in einem schwerfälligen und gestelzten Stil. Die ersten 40 Seiten waren hart. Immer wieder liest man Sätze, die auch mal über eine halbe Seite gehen. Diese sind dermassen verschachtelt, dass ich mehrmals denselben Satz lesen musste.
Der Inhalt ist ganz klar eine Erzählung und die direkte Rede ist sehr rar eingesetzt. Zudem sachlich gehalten, von Beschreibungen von Gefühlen hält der Autor nichts. So kommt es zum Beispiel vor, dass nach einigen Kapiteln nebenbei erwähnt wird, dass eine vorherige Hauptfigur gestorben ist. Durch den Mangel an Gefühlen wirkten die Figuren auf mich oft austauschbar und flach. Seltsamerweise wechselt der Stil manchmal mitten in einer Szene zur Gedichtform.
Was Nelio Biedermann gut gelungen ist: Seinen Lesern die Zeit in Ungarn zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufzuzeigen. Die Lazars sind eine typische Adelsfamilie, in der Geld vor Moral kommt. Wie zu der Zeit wohl üblich hält sich nicht nur der Herr Baron eine Mätresse, auch die Herrin des Hauses geht fremd. So sind sexuelle Szenen ein fester Bestandteil der Erzählung und ich hatte oft das Gefühl, jede und jeder der Familie Lazar muss eine Affäre oder sonstige Bettgeschichten haben. Diese amourösen und detaillierten Beschreibungen zog sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Die Story geht über mehrere Jahre, im Mittelpunkt steht immer die Familie Lazar. Drei Generationen Lazars sieht man beim arbeiten, lieben und sterben zu. Nelio Biedermann hat die Aufmerksamkeit bis zum jeweiligen Ableben einer Figur gerecht auf die Familienmitglieder verteilt. Dadurch spürt man immer den Mittelpunkt, der durch die Geschichte führt: Die Familie Lazar. Geschichtliche Ereignisse, die eingefügt sind, verraten die hervorragenden Recherchen.
Dieses Hypebuch, das ja für den Schweizer Buchpreis 2025 nominiert wurde, hat mich nur teilweise überzeugt. Einerseits empfand ich die durch die geschichtlichen Details geprägte Familiensaga gut bestückt. Andererseits war mir der Schreibstil zu gestelzt und schwerfällig und auf die vielen Sexszenen hätte ich auch gut verzichten können.

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