Samstag, 15. August 2020

Die Nachbarin / Caroline Corcoran

BLICK HINTER WOHNUNGSTÜREN !

Bewertung : ✭✭✭✭✫


Lexie und Harriet sind Nachbarinnen und wohnen Tür an Tür in einem grossen Hochhaus mit Hunderten von Mietern mitten in London. Lexie und Harriet kennen sich jedoch nicht, da sie sich nie begegnen. Sie hören jedoch, was in der benachbarten Wohnung geschieht. Lexie lebt mit ihrem Freund Tom zusammen und wünscht sich sehnlichst ein Kind. Harriet komponiert Songs für Musicals und das von zu Hause aus. Freitagabend feiert sie Partys und hat die Wohnung voller Menschen.
Lexie stellt sich das abwechslungsreiche Leben ihrer Nachbarin vor und wünscht sich nur ein kleines bisschen davon. Harriet hingegen möchte am liebsten Lexies Leben. Einen Freund wie Tom und eine Familie, das wäre, was sich Harriet wünscht.
Bald ist eine der beiden nicht mehr sicher, denn die Nachbarin versucht alles, um sie aus ihrem Leben zu drängen!


Ein grosses Plus in diesem Buch ist die Charakterisierung der Figuren. Da hatte die Autorin wirklich ein gutes Händchen!
Da ist zuerst einmal Harriet : Sehr schnell wird klar, dass sie Geheimnisse zurückhält und ein Ereignis in der Vergangenheit sie geprägt hat. Diese Geheimnisse werden dem Leser häppchenweise serviert. Ich empfand die Handlungen Harriets nachvollziehbar und psychologisch hervorragend ausgearbeitet. Die Figur hat mich restlos überzeugt!
Lexie, die einfach nicht schwanger wird, geht durch die Hölle. Sie klammert sich an jeden Strohhalm betreffend Schwangerschaft. Fällt in eine Depression und ist zutiefst verunsichert, wie ihr Freund Tom zu dem ganzen Kinderwunschprogramm steht. Hier konnte ich nachvollziehen, was Lexie durchmacht. Das ganze Prozedere ist authentisch und berührend beschrieben.
Den männlichen Part in der Geschichte besetzen Tom und Luke, der Exfreund von Harriet. Was da manchmal in den Beziehungen abgeht, empfand ich als haarsträubend und hat meine Emotionen geweckt.
Ganz nach dem Motto "das Leben der Nachbarn ist schöner", schielt jede der beiden Frauen darauf, was in der Nachbarwohnung geschieht. Die Anonymität in einem Hochhaus als Anlass, um sich das schönere und erfülltere Leben der Nachbarn einzubilden und vorzustellen. Sehr gelungen, durch die wechselnden Kapitel. Einmal in Ich Perspektive von Harriet und dann wieder aus der Sicht von Lexie. Dazu kommt, dass jede der Frauen die andere auf Social Media stalkt. Auch das ein Phänomen, das in der heutigen Zeit möglich ist. Menschen, die posten, wann sie was mit wem unternehmen. Und andere, die diese freizügige Zurschaustellung ausnutzen. Die Geschichte zeigt deutlich, dass und wie da Missbrauch geschieht und gegen einen verwendet werden kann.
Bei der Handlung hätte ich mir schon von Beginn weg dramatischere Situationen gewünscht. Die Story beginnt ruhig und benötigt Anlaufzeit. Auch als Fahrt in die Geschichte kommt, gibt es nicht unbedingt Gänsehautszenen. Passagen, in denen man vor Angst oder Schreck fast nicht weiterlesen kann, bietet die Geschichte kaum. Erst ganz zum Schluss wird die Handlung so, dass man wortwörtlich mit angehaltenem Atem liest. Dafür werden nach und nach immer mehr Grenzüberschreitungen einer der Frauen deutlich, die fassungslos machen.
Die Geschichte hat mich eher vom psychologischen Aspekt her berührt. Der Fokus liegt ganz klar auf den beiden Figuren. Ihr Denken, Fühlen und Handeln wird geleitet von Erlebnissen in der Vergangenheit, jedoch auch von ihrem Selbstbewusstsein.
Der Schreibstil von Caroline Corcoran habe ich als unaufgeregt und bedächtig empfunden. Der Fokus der Erzählung liegt oft auf den Gefühlen der Figuren und die Handlung tritt in den Hintergrund.
Mich hat das Buch fasziniert, denn nach und nach wird jede der Persönlichkeiten der Frauen deutlicher und man blickt hinter die Wohnungstüren!

Ich bedanke mich herzlich beim Heyne Verlag und dem Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

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