Bewertung : ✭✭✭✭✭
Als Kerstin, die Freundin von Katharina, für 3 Jahre nach Barcelona geht, bittet sie Katharina in der Zeit in ihrem Haus zu wohnen. Das entpuppt sich als Glücksfall für Katharina, denn ein Häuschen im Grünen hat sie sich für sich und ihre Kinder, den neunjährigen Lukas und die vierjährige Hanna, schon lange gewünscht.
Das neue Leben schient perfekt, als sie auch noch den attraktiven Nachbarn, David kennen lernt. Er beeindruckt sie, mit seiner witzigen und unkomplizierten Art. David sitzt im Rollstuhl und geht sehr offen damit um. Nur wie es dazu kam, dass er im Rollstuhl sitzt, darüber schweigt er sich aus.
Da ich mit Menschen mit einer Beeinträchtigung arbeite, bin ich bei Geschichten, in der diese Beeinträchtigungen thematisiert werden, stets besonders skeptisch. Oft wird entweder die Behinderung verklärt oder aber mit Jöh Effekt dargestellt.
"Ein Sommer und ein ganzes Leben" hat meiner Meinung nach mit Bravour diese Klippe gemeistert.
Kristina Valentin hat genau das richtige Mass gefunden, damit man als Aussenstehender die Probleme der Rollstuhlfahrer versteht und nachvollziehen kann.
Bauliche Grenzen im öffentlichen Raum, das Starren der Leute, der öffentliche Nahverkehr für Menschen mit Behinderung werden thematisiert. Aber auch Situationen, in der Ängste, Wünsche, Träume aber auch Grenzen von Menschen im Rollstuhl aufgezeigt werden. Dies alles ist in eine wunderbare Geschichte verwoben.
Katharina hat die Rolle der offenen Nachbarin, die den Menschen David und nicht den Rollstuhlfahrer sieht, inne. Lukas und Hanna, die der unverkrampften Kinder, die ohne Scheu nachfragen. So wie es im realen Leben auch oft ist. Dann ist da noch die Schwiegermutter von Katharina, die auch schon mal lauter spricht, weil sie denkt, dass ein Mensch im Rollstuhl auch schwerhörig sein muss. Genau diese Charakterisierungen sind absolut authentisch und mit Szenen, die mitten aus dem Leben gegriffen sind. Meiner Meinung nach ist mit den Figuren der Autorin ein grosser Wurf gelungen.
Dieses Buch beinhaltet auch eine romantische, zu keiner Zeit kitschige Liebesgeschichte. Man sieht die Schmetterlinge regelrecht fliegen, ist sich jedoch bis zum Schluss nicht sicher, wie denn die Geschichte ausgeht. Immer wieder hat es die Autorin geschafft, dass ich schmunzeln musste. Doch ich habe auch mitgezittert, als David sich plötzlich zurückzieht und Katharina nicht weiss weshalb.
Dieses Buch hat mich bis ins Herz berührt und die Botschaft "Menschen sind nicht trotz Rollstuhl, sondern mit Rollstuhl glücklich, erfolgreich und erfüllt " finde ich wunderbar und hier gut umgesetzt.
Sehr eindrücklich auch die Sätze von David (Seite 159): Ich bin nämlich gar nicht behindert. Ich werde nur ständig behindert. Von Menschen, Treppen und Häusern."
Ich hoffe und denke, dass dieses Buch ein Denkanstoss sein kann, damit man sich als Leser in Menschen, die mit einer Beeinträchtigung leben, hineinversetzen kann.
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