Freitag, 12. April 2024

Porzellankind / Myriane Angelowski

ERSCHÜTTERND TROTZ SACHLCHEM SCHREIBSTIL

Bewertung: ★★★★☆



Eine schöne Kindheit hat Ellis nicht. Wahrhaftig nicht! Sie lebt mit ihren Eltern zwar in einer Villa, muss sich aber jedoch möglichst unsichtbar machen. Denn ihre Mutter leidet unter der Glasknochenkrankheit und erträgt keinen Lärm. Ihr Vater gibt Ellis an allem, das in der Familie nicht rund läuft, die Schuld.

Als ihr kleiner Bruder zur Welt kommt, wird es noch schlimmer für Ellis. Denn der Kleine ist ein Schreikind und schreit tage- und nächtelang. Eine weitere Belastung für die Familie.

Als mit dem Kleinen ein Unglück geschieht, soll wieder Ellis schuld daran sein. 

Erschüttert, schockiert und zutiefst betroffen gemacht hat mich die Geschichte rund um die Familie von Ellis. Die toxische Beziehung zwischen Ellis und ihrer Mutter begleitet den Leser durch das Buch.

Man liest in Kapiteln, die in "Davor" und "Danach" gegliedert sind, die Pein, die einerseits Ellis mit neun Jahren und andererseits die erwachsene Ellis erfahren muss. Im "Davor", erster Teil,  lernt man die 9-jährige Ellis kennen, die versucht mit einer Menge Fantasie ihre lieblose Kindheit, in der auch Gewalt ein Thema ist, ihr Leben irgendwie lebenswert zu machen. So hilft sie sich mit ihrer imaginären Freundin Dorothy über die Runden und stopft sich mit Essen voll.

Die wichtigsten Bezugspersonen des kleinen Mädchens sind die Haushälterin Teresa und der Nachbar Karlfried. Letzterer stachelt ordentlich die Fantasie seiner kleinen Nachbarin an und hilft ihr dadurch in diese Fantasiewelt zu entfliehen. Dann geschieht mit ihrem kleinen Bruder Schreckliches. Wer die Schuld daran trägt, bleibt über weite Teile offen und wird erst zum Schluss aufgelöst. Ich empfand diese Schuldfrage sehr spannend und ich war neugierig auf die Auflösung, wenn sie auch nicht ganz so überraschend kam.

Schockiert hat mich, dass die erwachsene Ellis immer noch mit ihrer Mutter zusammenlebt und sich weder aus dieser jahrelang anhaltenden toxischen Beziehung lösen kann, noch imstande ist, eine eigene Meinung zu bilden oder ihr Leben alleine zu gestalten.

Die Frage, wie weit die Erziehung, die Nähe und das Gefühl, geliebt zu werden, ein Kind formt und als Erwachsene begleitet, ist zentral in dieser Geschichte. 

Den Schreibstil von Myriane Angelowski empfand ich als sehr speziell. Kurze Sätze, die manchmal abgehakt wirken und sachlich sind. Es geht nicht gefühlsbetont zu und her, was ich sehr passend für diese Geschichte fand. Denn in all dem Grauen, der Vernachlässigung und der Lieblosigkeit noch über Gefühle zu lesen, hätte ich schlecht ertragen.

Die Geschichte hätte etwas mehr an Struktur vertragen. Denn es geht oft sprunghaft hin und her und mir war nicht immer klar, wer gerade im Mittelpunkt der Handlung steht. Ich fand nämlich die Perspektivwechsel schwierig einzureihen. Auch jetzt nach Beendigung des Buches bin ich nicht sicher, immer richtig erfasst zu haben, wer wann zu Wort gekommen ist.

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