Samstag, 2. Februar 2019

Anatomie eines Skandals / Sarah Vaughan

HAT ER ODER HAT ER NICHT ?

Bewertung : ✭✭✭✭✫


Sophie Whitehouse ist verzweifelt. Ihr Mann James, steht als Staatssekretär in der Öffentlichkeit. Und wird nun von Olivia Lytton, die seine persönliche Assistentin und 20 Jahre alt ist, der Vergewaltigung angeklagt. Dies als Schlusspunkt einer fünfmonatigen Affäre. James ist sich sicher, dass sein Freund, der Premierminister, ihn aus dieser Sache rausboxen wird. James bestreitet die Vergewaltigung und der Verdacht liegt nahe, dass Olivia sich rächen will. Es kommt zur Gerichtsverhandlung und Rechtsanwältin Kate Mawhinney versucht ein Exempel zu statuieren. Und dies nicht nur aus beruflichen Gründen ... sondern aus persönlichen Gründen, die im Studium in Oxford ihren Ursprung haben.


Ich muss gestehen, dass ich grosse Schwierigkeiten hatte, mit dem Schreibstil klar zu kommen. Sarah Vaughan hat ein Faible für ausschweifende Beschreibungen der Örtlichkeiten, Kleidung und Situationen. Gerade zu Beginn, wenn man in einem Buch "ankommen" möchte, lang und breit die Kleidung der Anwältin zu beschrieben empfinde ich als äusserst gewagt.
Die Charakterisierung ist grösstenteils sehr klischeehaft. James ist ein Mann, den ich nicht geschenkt haben möchte. Er betrügt seine Frau. Denkt, dass sie nach einer gewissen Zeit schon wieder Lust auf körperliche Liebe bekommt und der Seitensprung stillschweigend zu den Akten gelegt wird. Es liegt klar auf der Hand, um was es ihm in einer Beziehung geht. Sein Frauenbild ist untere Schublade. Er benutzt die Frauen, egal ob eigene oder Affäre, wie es ihm passt. Denn schliesslich braucht er körperliche Liebe um sich entspannen zu können. Der Arme hat ja auch so einen Stress bei der Arbeit. Deshalb muss er sogar Sex im Fahrstuhl seiner Arbeitsstelle praktizieren. Ironieoff. Die Sicht von James auf Frauen und Beziehungen hat mich schockiert. Gleichzeitig war jedoch James, die Figur, die mich durch das Buch getrieben hat. Ich wollte nur zu gerne lesen, wie er ordentlich auf die Schnauze fällt. Ob es dazu gekommen ist, oder ob er sich wieder mal aus allen Schwierigkeiten rauswinden konnte, spoilere ich hier natürlich. Ich schreibe "wieder mal", da immer wieder auch ein Strang in der Vergangenheit eingefügt wurde. 1992, als Sophie James an der Uni kennenlernt… und noch Holly, eine Freundin von Sophie, involviert ist. Auch in der Vergangenheit trumpft James mit seinem überheblichen Getue auf.
Sophie ist eine Vorzeigefrau, wie sie sich wohl jeder Politiker wünscht. Der eigene Mann schläft fremd: Zähne zusammenbeissen und zu ihm stehen. Die halbe Welt lacht über den Ort des Beischlafs: Sophie hält eisern zu ihrem Mann. Ich konnte kaum glauben, dass sie ihn nicht schon längst verlassen hat. So empfand ich die Figuren als sehr interessant und sie haben bei mir Emotionen ausgelöst.
Die wechselnden Perspektiven, in denen James, Sophie, Holly und Kate im Mittelpunkt stehen und die verschiedenen Zeitebenen machen das Buch abwechslungsreich und so schleicht sich keine Langeweile ein. Sehr gefallen hat mir, dass ein grosser Teil der Story im Gerichtssaal stattfindet. Die Verhandlung rund um die Vergewaltigung ist äusserst gut geschrieben. Die Welt des Strafrechts, die Geschworenen, das Urteil sehr interessant und spannend. Die Autorin hebt diese Verhandlung auf eine emotionale Ebene, da immer wieder Gedanken und Gefühle von Sophie, Kate und auch James eingeflochten wurden, die das Ganze äusserst lebendig machen. Ein grosser Wurf von Sarah Vaughan ist eine überraschende Wendung, die die Identität einer Figur betrifft. Da fiel mir der ganze Zusammenhang wie Schuppen vor die Augen und damit hatte ich genau den "Aha - Effekt" den ich in Büchern so liebe.

Mein Dank geht an netGalley und Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar!

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