SCHNÖRKELLOSER SCHREIBSTIL!
Bewertung: ★★★★☆
Emily leidet seit Monaten unter dissoziativen Amnesie. Seit ihre beste Freundin Liv drei Monate zuvor auf die Gleise der U-Bahn gefallen ist und überrollt wurde.
Emily, die direkt neben ihr stand, konnte ihrer Freundin nicht helfen und Liv starb. Dies weiss Emily nur aus Erzählungen, ihr Gehirn hat das Unglück ausgeblendet. Die Polizei geht von einem Unfall aus, doch Emily macht beim Räumen von Livs Wohnung einen verhängnisvollen Fund. Ist jemand für den Tod ihrer Freundin verantwortlich?
Protagonistin Emily schleppt sich mit Schuldgefühlen und Fragen aufgrund ihrer Amnesie und einer Depression durch das Buch. Das wird für den Leser sehr düster und streckenweise eintönig. Es ist absolut deprimierend Emily zu begleiten und immer wieder zu lesen, wie schlecht es ihr geht und wie sie die Ereignisse sechs Monate zuvor belasten, ja sogar komplett aus der Bahn werfen.
Daneben erfährt man in Kapiteln, die mit "Shakes" gekennzeichnet sind, einen parallel laufenden Erzählstrang über einen jungen Mann. Er lebt in der Nachbarschaftswohnung der toten Freundin Emilys und ist fast ebenso depressiv wie Emily. Er ist zudem kriminell und hat Pläne, die sich mit seiner Verbrecherkarriere wohl schlecht vereinbaren lassen. Auch dieser Strang ist düster und bedrückend.
Als dritter Strang, der mit "Der Patient" deklariert ist, wird eine Figur während seiner Sitzung bei seinem Psychiater in den Fokus gestellt. Naturgemäss sind diese Sitzungen ebenfalls sehr deprimierend. Ab und zu wurden Tagebuchauszüge von Liv eingeflochten, die sehr viele Rückschlüsse auf das Leben und den Charakter der Toten zulassen. Mir haben ein, zwei heitere, hoffnungsvolle oder humorvolle Passagen gefehlt. Die Geschichte liest sich wie eine einzige depressive Verstimmung. Spannung ist jedoch trotzdem da, denn mit dem Fund, den Emily macht, wird sehr schnell klar, dass Liv's Tod nicht so einfach ist, wie die Polizei glaubt.
Die Autorin soll zu ihrer Geschichte gesagt haben: "Ich brauche die Psyche der Figuren, nicht ihr Blut". Tatsächlich ist diese Story psychologisch ausgefeilt und die Figuren zwar problembeladen, depressiv und mit etlichen krankhaften Störungen angereichert, doch überzeugend. Sarah Nissi schreibt in einem schnörkellosen, knappen, ja fast abgehackten Schreibstil. Dieser Stil verstärkt den düsteren Eindruck noch und stellt eine Distanz zwischen dem Leser und den Figuren her. Ich habe diesen Psychothriller wie eine Erzählung gelesen und nicht wie eine Geschichte, in der ich eintauchen konnte.
Für das Rezensionsexemplar bedanke ich mich beim Bloggerportal und dem btb Verlag!
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