Dienstag, 5. Oktober 2021

Wenn ich wiederkomme / Marco Balzano

 " DU SOLLST ES MAL BESSER HABEN."

Bewertung : ★★★★☆



Daniela arbeitet als Pflegekraft bei dem unter Demenz leidenden Giovanni in Mailand. Dafür hat sie in Rumänien ihren Mann und Kinder allein gelassen. Vor allem dem achtjährigen Manuel fällt der Abschied von seiner Mutter schwer. Er hat plötzlich Probleme in der Schule und gerät in falsche Kreise. Dabei hat Daniela die Familie verlassen, damit es ihre Kinder einmal besser haben. Durch ihren Lohn sollen Angelica und Manuel ein sorgenfreies Leben haben und eine gute Ausbildung machen.






Marco Balzano arbeitet ein Thema auf, das auch im realen Leben an Brisanz einiges bietet. Frauen, die aus Osteuropa stammen und als Pflegekräfte überall in der westlichen Welt alte Menschen betreuen. Dies meist ohne festen Vertrag und damit ohne Krankenversicherung oder Erwerbsersatz. Harte Arbeit für einen Lohn, für die keine einheimische Pflegekraft gefunden werden könnte. Meist sind diese Frauen 6 Tage die Woche, Tag und Nacht für den Patienten verantwortlich und leben auch direkt mit ihm zusammen. Von Ausbeutung zu sprechen, liegt hier nahe. Dieser Aspekt nimmt einen großen Teil der Geschichte ein und hat mich schockiert. Vor allem, weil bekannt ist, dass viele osteuropäische Frauen genau so arbeiten. Zwar hat der Autor darauf verzichtet, detailliert die harte Arbeit zu schildern. Als Leser kann man sich jedoch zusammenreimen, wie belastend die Arbeit und vor allem die Isolation für die Frauen ist.


Weniger hat mir der Einstieg in die Geschichte gefallen. Dort steht Manuel im Mittelpunkt, mit dem ich meine liebe Mühe hatte. Denn Manuel ist verwöhnt, fordert unentwegt, gerät in falsche Kreise, experimentiert mit Drogen und will das Gymnasium abbrechen. Dies klischeehaft unter dem Deckmäntelchen „verlassenes Kind“. Es kommt, wie es kommen muss. Manuel geschieht etwas, was seine Mutter zurück nach Rumänien fahren lässt. Von da an begleitet sie ihr schlechtes Gewissen, ihre Kinder im Stich gelassen zu haben. Was ihr auch Tochter Angelica konstant unter die Nase reibt. Mir hat Daniela unendlich leidgetan. Da verlässt sie ihr gewohntes Leben, arbeitet unter fast unmenschlichen Bedingungen, setzt ihre Ehe aufs Spiel, um ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen. Die Kinder jedoch honorieren dies überhaupt nicht, sondern verurteilen ihre Mutter und benehmen sich wie verzogene Gören.


Der Autor hat die Geschichte als Erzählung gestaltet, die direkte Rede wurde sehr rar eingesetzt. Dadurch wirkte die Geschichte auf mich emotionslos. Zwar spürt man zwischen den Zeilen, was eine Figur fühlt und wie es ihr geht. Ab und zu hätte ich mir jedoch eine tiefer gehende Regung oder einen emotional geführten Dialog gewünscht. Der Schreibstil ist einfach gehalten und ausdrucksstark. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. In je einem Teil erfährt man die Sicht von Manuel, Daniela und Angelica, was die Geschichte einerseits vielseitig macht und andererseits zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Figuren mit dem großen Einschnitt im Familienleben umgehen.


Ich bedanke mich für das Rezensionsexemplar bei vorablesen und dem Diogenes Verlag


2 Kommentare:

  1. Guten morgen liebe Irene, ich habe eben Deine ehrliche und sehr gute Rezension gelesen und kann nun besser verstehen, warum du nicht Fünf Sterne vergeben hast. Ich habe es zum Beispiel im Gegensatz zu Dir genossen nicht soviel *Wörtliche Rede* lesen zu müssen und kann die ehrliche Abnabelung der Angelica von ihrer Mutter sehr gut nachvollziehen. Eine Beziehung die mit erdrückenden einseitigen Dankbarkeitsgefühlen belastet wird , kann nur zum Scheitern verurteilt sein. Das ist aber meine ganz persönliche Empfindung! Gerade fällt mir da ein bezeichnender Satz dazu ein. *Unsere Kinder gehören uns nicht mehr* So sollte es ja sein,,,,
    GLG Angela

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    1. Liebe Angela,
      Ich denke bei solchen Büchern, dh mit Themen, die nahe gegen, spielt auch oft die eigenen Erlebnisse, Einstellung, Gefühle in der Bewertung eine Rolle.
      Ich sehe es eher von der Seite von Daniela aus. Von einer fast erwachsenen Frau, die damit spielt zu heiraten, kann man doch mehr Verständnis und Dankbarkeit erwarten? Vor allem weil sie sich zusammenreimen kann, was ihre Mutter alles aufgegeben hat, damit sie studieren kann....
      Danke für deine Rückmeldung.
      Liebe Grüsse
      Irene

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