Sonntag, 8. Dezember 2019

Vier Jahre / Carin Gerhardsen

AUFBAU UND PLOT : NEU UND ERFRISCHEND ANDERS !

Bewertung : ✭✭✭✭✫


2014 : Schneefall, eisige Kälte und Strassen, die das Autofahren gefährlich machen. Ein Winterabend auf der Insel Gotland. Ein Pärchen, unterwegs mit dem Auto zu einem heimlichen Treffen. Ein Mann, der kurz davor eine Straftat begangen hat, ebenfalls. Und da ist noch ein drittes Auto, das eine Schlucht hinunterstürzt. Keiner der Beteiligten helfen dem verunglückten Fahrer. Im Gegenteil!
Vier Jahre später wühlt ein Anruf bei einem Sorgentelefon die ganze Geschichte wieder auf. Und nach und nach kommt eine Geschichte ans Licht, die das Leben aller Beteiligter stark beeinflusst hat.


In zwei verschiedenen, und sich abwechselnden Kapiteln, werden von der Autorin zu Beginn zwei völlig unabhängige Geschichten erzählt. Da sind erst mal die Kapitel " Sandra ", in denen die Autorin eine junge Mutter, ihr Leben und die Vergangenheit skizziert. Diese wechseln sich mit den Kapiteln " Jeanette " ab, einer obdachlosen Frau, die am Rande der Gesellschaft, ihre Tage und Nächte auf Parkbänken verbringt. Scheinbar unabhängig voneinander, lernt man so zwei Protagonistinnen sehr gut kennen. Da in diesen Eingangskapiteln Gefühle, Überlegungen, Ängste und Wünsche sehr gut zum Leser transportiert werden.
Sandra ist schüchtern, gehemmt und entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu einer starken Frau, die Vergeltung einfordert, für ein Ereignis in der Vergangenheit. Diese Verwandlung war meiner Meinung nach nicht immer ganz nachvollziehbar, hat mich jedoch auch nicht gross gestört. Die Figur Jeannette war mir eher unsympathisch. Erst mit der Zeit habe ich verstanden, weshalb sie in der Gegenwart so kalt und emotionslos ist. Eine tragische Figur, die schlussendlich mein Mitgefühl hatte.
Es dauert einige Zeit, bis Berührungspunkte, erst langsam und zufällig, dann immer offensichtlicher aufblitzen. Der Spannungsfaktor war hier schon sehr hoch, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wo denn da eine Verbindung sein soll. Allerdings hatte ich auch einige Schwierigkeiten zu überwinden, da die Story nicht chronologisch geordnet ist. Zwar sehr gut deklariert, doch die Schwierigkeit bestand für mich darin, im Kopf immer wieder dort anzuknüpfen, wo ein Kapitel viele Seiten zuvor zu Ende ging. Dazu kommen etliche Handlungsunterbrüche und Sprünge, mit denen Carin Gerhardsen spielt. Diese haben mich erst irritiert. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass genau hier das grosse Plus dieser Geschichte zu finden ist. Denn, was man sich erst zusammenreimen muss, wird nach und nach aufgedeckt…oder eben nicht, wenn ich falsch gelegen habe mit meinen Vermutungen. Mit vielen unvorhersehbaren Wendungen konnte mich die Autorin begeistern und fesseln. Auch wenn einige Zufälle den Figuren in die Hand spielen und ich in dieser Beziehung ab und zu ein Auge zudrücken musste.
Mit der Zeit kommen noch weitere Figuren hinzu, die ich hier leider spoilern muss, da ansonsten potentiellen Lesern zu viel verraten werden könnte. Die Figurenzahl bleibt jedoch überschaubar und durch die hervorragende Charakterisierung kann man sie sehr gut auseinander halten.
Der Schreibstil ist eher nüchtern und sachlich, und liest sich so sehr schnell. Sehr beeindruckend fand ich, als die Autorin eine Straftat aus der Sicht beider beteiligter Personen beschrieben hat. Da sieht man mal wieder, dass Frauen und Männer ganz unterschiedlich funktionieren! Und, dass die Sichtweise auf Ereignisse völlig unterschiedlich sein können.
Der Aufbau, der Plot zu diesem Thriller, ist absolut neu und erfrischend. Und hebt sich sehr gut ab von dem Einheitsbrei der Thriller, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Hier findet man keine klassischen Ermittler, sondern Figuren, die persönlich involviert sind und nach und nach dem Verbrecher auf die Spur kommen.

Herzlichen Dank an den Heyne Verlag und das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

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