WAS FÜR EIN FRAUENBILD!
Bewertung: ★★☆☆☆
1919 lebt die 24 jährige Margie völlig gefangen in den Zwängen der damaligen Gesellschaft. Noch unverheiratet, wird sie von ihren Eltern gedrängt, den doppelt so alten Geschäftspartner ihres Vaters zu heiraten. Margie weigert sich und wird als Anstandsdame mit ihrer Cousine auf Reisen geschickt. Margies Traum erfüllt sich…Paris, Rom,London…so viel will sie sehen und erleben. Sie interessiert sich sehr für Literatur und sieht sich schon in den grossen Bibliotheken, sich mit Schriftstellern treffen und ein eigenes Buch schreiben. Doch die Reise entwickelt sich ganz anders, als Margie sich das gedacht hat.
70 Jahre später und 1999 lebt Margies Enkeltochter Madeleine in einer lieblosen Ehe. Ihr Mann bestimmt, was sie anzieht, was gegessen wird und womit Madeleine sich beschäftigt. So ist er dagegen, dass Madeleine ihre Passion, die Malerei ausübt. Madeleine ergreift die Flucht vor dem tyrannischen Ehemann und fährt zu ihrer Mutter. Doch da gerät sie vom Regen in die Traufe.
In wechselnden Kapiteln erzählt die Autorin die Geschichte von Margie und ihrer Enkeltochter Madeleine. In meiner Beurteilung muss ich die beiden Geschichten trennen.
Da ist zuerst mal Margie: Sehr typisch für die damalige Zeit, erlebt man als Leser das Lebensziel aller Eltern. Die Tochter soll möglichst schnell und möglichst gut verheiratet werden. Ein Mädchen, das mit 24 Jahren noch bei den Eltern lebt, gilt als alte Jungfer. Margie hat mir sehr gefallen und mich überzeugt. Etwas unsicher im Umgang mit Menschen, doch auch das in der damaligen Zeit wohl die Norm. Als Leser erfährt man, wie sie ihre Zeit in Paris verbringt. Da sie in einer Bibliothek arbeitet und sich für Literatur interessiert, empfand ich diese Kapitel als sehr interessant. Etwas gestört hat mich, dass ab und zu bei Kapitelbeginn, Madeleine in die Rolle der Erzählerin schlüpft und erzählt, was Margie erlebt. Etwa , das rein aus zeitlichen Gründen, gar nicht möglich sein kann, da die Frauen 80 Jahre Altersunterschied trennt. Zudem erzählt Madeleine so, als wäre sie dabei gewesen.
Dann also zu Madeleine: Meiner Meinung nach, die grosse Baustelle in diesem Buch. Nicht nur, dass Madeleine sich mit 34 Jahren erst von ihrem Mann und dann auch noch von ihrer Mutter herumkommandieren lässt. Ihr Mann Philip erlaubt ihr zum Beispiel nicht, dass sie in weitem Hemd und Boxershorts schläft. Er stellt auch schon mal die Waage mitten ins Zimmer, wenn er denkt, sie habe wieder mal zu viel gegessen. Madeleine ist auch noch sehr …unselbstständig ?…verwöhnt…? …weinerlich….?
Sie fährt nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrer Mutter. Und ist völlig fassungslos und hilflos, als sie bemerkt, dass kein Essen im Haus ist. Mehrere Male wird erwähnt, dass sie hungrig ist…die Gute sucht Küche und Speisekammer ab und findet..nichts. Wohlverstanden: die Frau ist 34 Jahre alt und keine 5 Jahre! Einkaufen gehen?…Nee…daran denkt Madeleine nicht.
Irgendwann konnte ich es einfach nicht mehr hören….beziehungsweise lesen…wie Madeleine ihre dicken Oberarme und ihre Speckröllchen und sich über ihren Mann beklagt. Statt etwas zu ändern, jammert sie vor sich hin. Wobei, wenn sie was ändern würde, ginge wohl auch der gehobene Lebensstandard flöten.
Nun zum grossen Finale der Figur Madeleine: Sie empfindet Scham, wenn sie daran denkt, dass Philip und sie sich scheiden lassen, weil niemand im Bekanntenkreis geschieden ist. Falls es noch nicht ganz durchgedrungen ist :Die Frau lebt im Jahre 1999!!!!
Meiner Meinung hat die Autorin sich hier in der Zeitepoche vertan. Beide Geschichten wurden so geschrieben, die Figuren so charakterisiert, als ob die ganze Story sich im 1924 abspielen würde.
Die gezierte Ausdrucksweise von Madeleine " …und mich noch kein Mann erwählt hatte…" , sowie ihre Gedanken "…es schickt sich nicht, vor den Augen eines Mannes ein Dessert zu essen " zeigen mir, dass die Autorin sich vertan hat. Ach ja…und da werden Debüts von den volljährigen Mädchen erwähnt. Und das im Jahre 1999!
Wenn schon eine Story in 2 Zeitepochen aufteilen,dann bitte überzeugend in Charakterisierung, Schreibstil und Einstellung !
Das Frauenbild, das hier beschrieben wird, hat mich die Haare zu Berge stehen lassen.
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